Aus Natur und Geisteswelt

Sammlung wissenschaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen

O. Külpe
 Immanuel Kant  
Verlag von B. G. Teubner in Leipzig Dem Andenken meines lieben Bruders Alfons gewidmet Vorwort zur ersten Auflage. Aus einer wiederholten Behandlung der Kantischen Philosophie in akademischen Vorlesungen und Übungen, sowie aus den beim letzten Ferienkurse für Volkslehrer im Sommer 1906 gehaltenen Vorträgen ist auf besonderen Wunsch dieser Hörer und aus die Aufforderung der Verlagsbuchhandlung die vorliegende Schrift entstanden, Wenn sie sich auch zunächst an einen weiteren Kreis von philosophisch interessierten Gebildeten wendet, so glaubte ich doch nicht bloß darstellen und erläutern, sondern auch beurteilen und würdigen zu sollen. Bei aller Bewunderung und Sympathie für Kant vermag ich wesentliche Züge seines kritischen Idealismus nicht anzuerkennen, und ich habe es für richtiger gehalten, diesen ablehnenden Standpunkt, unter Vernachlässigung aller untergeordneten Zweifel und Anstände, deutlich zu vertreten, als den Eindruck unantastbarer, des Fortschritts Weber bedürftiger noch fähiger Weisheit zu erwecken. Kants unerschütterliche geschichtliche Größe kann dadurch keine Beeinträchtigung erfahren, daß man ihm hundert Jahre nach seinem Tode das Verflochtensein in den Anschauungskreis seiner Zeit und die sich hauptsächlich aus diesem Umstände ergebende Vergänglichkeit nachweist. Darüber hinaus gibt es bleibende Werte, vor allem in den methodischen Prinzipien, in den kritischen Errungenschaften und den schier unerschöpflichen Anregungen zu Problemen und Lösungen. Und die echte, in sich geschlossene Eigenart seiner bedeutenden Persönlichkeit ist zu einem unvergänglichen Typus deutscher Philosophen geworden. Es versteht sich von selbst, daß ich der großen Literatur über Kant viel verdanke. Was Cohen und Riehl, was B. Erdmann und Paulsen, was Volkelt, Vaihinger und Adickes und mancher andere für die Einsicht in Kants Entwickelung und Gedankenwelt geleistet haben, ist auch dieser Schrift in hohem Maße zugute gekommen. Aber ich darf Wohl sagen, daß sie auf selbständigem Studium der Quellen und aus eigener Beurteilung ihres Inhalts beruht. Sie steht im Zusammenhange mit den Ausführungen, die ich in der im gleichen Verlage erschienenen „Philosophie der Gegenwart in Deutschland" (5. Aufl. 1911) und in der bei S. Hirzel veröffentlichten „Einleitung in die Philosophie“ (5. Aufl. 1910) über Kant und die einschlägigen Probleme gegeben habe. Einige Partien sind aus der an der Würzburger Universität 1904 von mir gehaltenen Kantrede herübergenommen. Das dem Buche vorangestellte Bildnis von Kant ist erst im Jahre 1896 in Dresden entdeckt worden und seitdem in das Städtische Museum in Königsberg übergegangen. Es dürfte Kant etwa in seinem 60. Jahre darstellen (vgl. Kantstudien III 160 ff., VI 113f., IX 343 und XIV 568f.). Die S. VIII angegebene Literatur ist eine kleine Auswahl, die nur den Zweck hat, auf größere, eine reichere Literaturübersicht enthaltende oder sonst wertvolle, aber nicht zu spezielle Bücher hinzuweisen. Allgemeinere Werke über Geschichte der Philosophie findet man in Busses, der gleichen Sammlung wie die vorliegende Schrift angehörendem Buche „Die Weltanschauungen der großen Philosophen der Neuheit" (3. Aufl. 1912) angeführt. Über die Kantbewegung der letzten Zeit orientieren sehr vollständig die von Vaihinger begründeten Kantstudien (bisher 16 Bände bei Reuther & Reichard erschienen). Würzburg, im Dezember 1906. Vorwort zur zweiten Auflage. Die zweite Auflage ist nicht nur sorgfältig revidiert und in vielen Einzelheiten gebessert und erweitert worden. Sie hat auch eine Ergänzung der kritischen Ausführungen besonders im fünften und sie- benten Abschnitt erfahren. Ich hoffe dadurch manchen mir bekannt gewordenen Mißverständnissen meiner Ausfassung und Würdigung Kantischer Lehren gesteuert und beide fester begründet zu haben. Zu einer inhaltlichen Änderung meines Standpunktes habe ich auch bei erneuter Erwägung und Prüfung keine Veranlassung gefunden. Herrn Kollegen Messer in Gießen, der mich durch seine Besprechung in der Deutschen Literaturzeitung und durch private Winke und Mitteilungen am meisten gefördert hat, möchte ich meinen herzlichen Dank auch an dieser Stelle aussprechen. Würzburg, im Juli 1908. Vorwort zur dritten Auflage. Auch die dritte Auflage hat neben manchen kleineren Verbesserungen einige Erweiterungen der Darstellung und der Würdigung, namentlich im dritten, fünften, siebenten und achten Abschnitt, erfahren. Die trotzdem eingetretene Verringerung des Umfangs beruht aus der vom Verlage vorgenommenen Veränderung des Druckes. Bonn, im Mai 1912. Der Verfasser. Inhaltsverzeichnis. Seite 1. Die geschichtliche Bedeutung. l 2. Die vorkritische Zeit. 12 3. Das kritische Problem. 24 4. Die Grundgedanken der kritischen Philosophie. 36 5. Raum und Zeit. 45 6. Die Kategorien und Grundsätze. 59 7. Die Apriorität als Subjektivität und der Phänomenalismus. 70 8 Die Bedeutung des Denkens und feiner Gegenstände für die Erkenntnis. 88 9. Die Ideen und Prinzipien. 99 10. Das Sittengesetz und die Postulate. 109 11. Das Reich der Zwecke. 123 12. Das Lebensende. 135 13. Die Persönlichkeit. 142