Aus der Werkstatt der experimentellen Psychologie und Pädagogik.
von Rudolf Schulze Lehrer an der 6. Bezirksschule zu Leipzig. Dritte, wesentlich erweiterte Auflage. mit 611 Abbildungen. R. Vogtländer's Verlag in Leipzig 1913. Vorwort zur ersten und zweiten Auflage. Das vorliegende Buch ist aus der Absicht entstanden, weiteren Kreisen die experimentelle Methode der Psychologie und Pädagogik zugänglich zu machen. Aus diesem Grunde habe ich eine allgemein verständliche Darstellung versucht. Dem Zwecke des Buches entsprechend konnten nur einige Methoden und Apparate beschrieben werden. Vollständigkeit ist nach keiner Richtung hin angestrebt worden. Ich wählte aus, was mir für Lehrer, Seminare und alle an der Erziehung und ihren Fortschritten interessierten Gebildeten wissenswert erschien. Bei der Anordnung des Stoffes kamen drei Gesichtspunkte in Betracht. Die Anordnung nach den Apparaten hätte den rein technischen Standpunkt zu sehr in den Vordergrund gerückt. Die Ordnung nach den Methoden konnte den Anschein erwecken, daß eine vollständige Methodenlehre beabsichtigt sei. So kam ich schließlich dazu, nach einigen Hauptabschnitten der Psychologie und Pädagogik zu ordnen, wobei natürlich manches wichtige Kapitel ausgeschaltet werden mußte. Dabei ist die Einteilung und Terminologie durchaus am Wundtschen System orientiert. Ich halte es für höchst bedauerlich, wenn viele Psychologen der Wundtschen Schule selbst in wichtigen Fragen von Wundts Begriffsbestimmungen ohne Not abweichen. An die Betrachtung der Apparate und Methoden habe ich hier und da auch einige Ergebnisse der bisherigen Forschung angeschlossen. Diese Beispiele sind aber eben nur als Paradigmata gedacht. Ich mache keinen Anspruch darauf, in jedem einzelnen Falle die wichtigsten Ergebnisse angeführt zu haben. Aus diesem Grunde habe ich auch, soweit ich konnte, meine eigenen Versuche zur Erläuterung benutzt, weil sie mir am nächsten lagen und zum Zwecke der Demonstration genügten. Im übrigen habe ich bezüglich der Ergebnisse vor allem aus den beiden zur Verfügung stehenden Hauptquellen geschöpft: aus Wundt, Grundzüge der physiologischen Psychologie, und aus Meumann, Vorlesungen zur Einführung in die experimentelle Pädagogik und ihre psychologischen Grundlagen. Ich nehme an, daß jeder, der selbst experimentelle Untersuchungen anstellen will, zu diesen Quellen greift. Dort findet er eingehende Literaturangaben. Ich habe darum auch unterlassen, mein Buch durch umfangreiche Literaturangaben ungebührlich zu belasten. Besonderen Wert legte ich auf die Beschaffung eines reichen Anschauungsmaterials. Viele Autoren, Verlagsfirmen und Institute für wissenschaftliche Apparate sind mir dabei in dankenswerter Weise entgegengekommen. Ich habe in jedem einzelnen Falle die Quelle bezeichnet. Bilder ohne Quellenangabe sind nach Aufnahmen meiner eigenen Apparate angefertigt worden. Zu danken habe ich den vielen Damen und Herren, die an meinen Versuchen teilgenommen und mich bei den photographischen Aufnahmen unterstützt haben, ferner den Herren Schuldirektoren und Kollegen, die mir Aufnahmen von Schulkindern gestatteten. Ganz besonderen Dank aber schulde ich den Herren Max Döring und Paul Schlager, die das fertige Manuskript einer Durchsicht unterzogen haben. Herr Schlager hat die gesamte Drucklegung geleitet und das Register am Ende des Buches selbständig entworfen. Leipzig, im Januar 1909. Der Verfasser. Vorwort zur dritten Auflage. Die zweite Auflage des vorliegenden Buches mußte als unveränderter Abdruck der ersten, wenige Monate nach deren Erscheinen, ausgegeben werden. Die günstige Aufnahme, die das Buch auch bei der Kritik fand, veranlaßte mich, bei der dritten Auflage an dem Plan des Ganzen nichts Wesentliches zu ändern. Dagegen war ich bemüht, die im Laufe der letzten Jahre bekannt gewordenen neueren Methoden und Apparate nach Möglichkeit zu berücksichtigen und an Anschauungsmaterial zusammenzutragen, was zu erlangen war, so daß sich die Zahl der Abbildungen verdoppelt hat. Dabei sind nicht nur allenthalben einzelne neue Apparate und Kurven eingefügt worden, sondern es wurden auch manche Hauptabschnitte durch neue Kapitel erweitert. Neu sind in der Gefühlslehre die Kapitel über kinematographische Aufnahmen und über das psychogalvanische Reflexphänomen, in der Willenslehre das Kapitel über die Bewegungsform bei einfachen Willenshandlungen, in der Arbeitslehre der Abschnitt über Ermüdungsstoffe. Die Korrelationslehre, die bei Veröffentlichung der ersten Auflage nur in ihren ersten Anfängen vorlag, hat seitdem, wie ich voraussagte, nun allgemeine Anerkennung gefunden. Unterdessen haben die mathematischen Grundlagen der Korrelationsrechnung eine bedeutende Förderung erfahren, so daß es notwendig war, dieses Kapitel ganz neu zu bearbeiten. Das Anhangskapitel "Instrumentarium für Seminare und andere höhere Schulen" habe ich fallen lassen, weil die betreffenden Firmen, beispielsweise die Firma E. Zimmermann, Leipzig, Emilienstraße 21, jetzt selbst derartige Zusammenstellungen für Interessenten bereithalten. Auch bei der dritten Auflage hat Herr Paul Schlager die Drucklegung geleitet und das Register entworfen. Aus der starken Vermehrung der Abbildungen (611 gegen 314) ergab sich von selbst die Notwendigkeit einer Preiserhöhung. Ich bin aber meinem Verlage zu besonderem Danke dafür verpflichtet, daß er auch bei dieser Auflage den Preis mit 6 Mk. (geb. 7 Mk) so niedrig als möglich angesetzt hat. Die von Professor .Dr. R. Pintner von der Universität Toledo (Ohio) besorgte englische Übersetzung des Buches, die im Jahre 1912 bei George Allen & Co., London, erschienen ist, wird mit 15 Mk. verkauft. Leipzig, im Januar 1913. Der Verfasser. Inhaltsübersicht. Seite Einleitung 1-13 1. Die Grundregeln experimenteller Untersuchung 1 2. Die Richtungen der experimentellen Psychologie und Pädagogik 4 3. Anthropometrische Messungen 5 A. Die mathematische Behandlung der Kinderpsychologie und Pädagogik 14-35 I. Maßbestimmungen in der Physik 14-18 1. Das Fehlergesetz 14 2. Das arithmetische Mittel 15 3. Die Streuung der Fehler 16 4. Wahrscheinlicher Fehler des arithmetischen Mittels 17 II. Maßbestimmungen in der Biologie. 18-27 1. Die Gesetzmäßigkeit biologischer Größen 18 2. Das zweiteilige Gaußsche Gesetz 21 3. Erfordernisse eines Kollektivgegenstandes 24 4. Experimentelle Beeinflussung biologischer Größen 25 III. Maßbestimmungen in der Psychologie 27-30 IV. Maßbestimmungen in der Kinderpsychologie und Pädagogik 30-35 1. Verschiebung der Asymmetrie durch natürliches Wachstum 30 2. Ausbreitung der Verteilung durch natürliches Wachstum 32 3. Verschiebung der Asymmetrie und Ausbreitung der Verteilung durch pädagogische Beeinflussung 32 B. Empfindungsmessung 36-66 I. Die psychischen Maßmethoden 36-52 1. Die Möglichkeit exakter Messungen in der Kinderpsychologie und Pädagogik 36 2. Anwendungsgebiete der psychischen Maßmethoden 37 a) Bestimmung von Reizschwellen 37 b) Bestimmung von Unterschiedsschwellen 39 c) Bestimmung äquivalent erscheinender Reize 40 d) Bestimmung äquivalent erscheinender Unterschiede 40 3. Die drei psychischen Maßmethoden 41 a) Die Herstellungsmethode 41 b) Die Grenzmethode 42 c) Die Konstanzmethode 45 4. Bedeutung der gewonnenen Zahlen 45 a) Die Empfindlichkeit 45 b) Die mittlere Variation 50 5. Vorsichtsmaßregeln bei der Untersuchung von Reiz- und Unterschiedsschwellen 51 II. Analyse eines Empfindungsgebietes 52-61 1. Äußere Tastempfindungen 53 a) Berührung und Druck 53 b) Schmerz 56 c:) Kälte und Wärme 56 2. Innere Tastempfindungen 58 a) Lageempfindung 59 b) Kraftempfindung 59 c) Bewegungsempfindung 61 III. Das Webersche Gesetz 61-66 C. Vorstellungen 67-91 I. Räumliche Vorstellungen 67-74 1.Räumliche Tastvorstellungen. 67 2. Räumliche Gesichtsvorstellungen 71 II. Zeitliche Vorstellungen 74-78 1. Die Unterschiedsschwelle des Zeitsinns 74 2. Individuelle Unterschiede 76 III. Statistik der Vorstellungen 78-91 1. Analyse des kindlichen Vorstellungskreises mit Hilfe des sprachlichen Ausdrucks 78 2. Analyse des kindlichen Vorstellungskreises mit Hilfe von Zeichnen und Formen 78 3. Untersuchung schwachsinniger Kinder 88 D. Gefühle 92-155 I. Die Ausdrucksmethode 92-103 1. Wesen der Ausdrucksmethode 93 2. Nutzen der Ausdrucksmethode 94 II. Untersuchung von Ausdruckssymptomen 103-125 1. Pulsuntersuchung 103 a) Der Druckpuls 103 b) Der Volumpuls 108 2. Atemuntersuchung 109 3.Puls- und Atemkurven 114 III. Untersuchung von Ausdrucksbewegungen 125-147 1. Sprachlicher Ausdruck 125 2. Zeichnerischer Ausdruck 127 3. Photographische Aufnahmen 128 a) Mimische Ausdrucksbewegungen 128 b) Pantomimische Ausdrucksbewegungen 133 4. Kinematographische Aufnahmen 134 a) Technik des Verfahrens 135 b) Das Gesamtergebnis 137 c) Einzelbilder 137 d) Die Leistungen der kinematographischen Aufnahme 141 IV. Das psychogalvanische Reflexphänomen 147-155 E. Willensvorgänge 156-187 I. Zeitfehler bei astronomischen Beobachtungen 156-162 1. Methoden der astronomischen Zeitmessung 156 2. Ein Sterndurchgang 157 II. Reaktionsversuche nach graphischer Methode 162-171 1. Reaktion mit optischer Reizung 162 2. Reaktion mit akustischer Reizung 162 III. Reaktionsversuche nach registrierender Methode 171-173 IV. Ein neues Chronoskop 173-176 V. Die Einschaltungsmethode 176-177 VI. Muskuläre, sensorielle und natürliche Reaktion 177-179 VII. Pädagogische Beeinflussung des Willensvorgangs 179-182 VIII. Die Bewegungsform bei einfachen Willenshandlungen 182-187 F. Bewußtsein und Aufmerksamkeit 188-207 I. Mimik der Aufmerksamkeit 188 -198 1. Photographische Methode 188 2. Graphische Methode 193 a) Untersuchung zweidimensionaler Bewegungen 193 b) Untersuchung dreidimensionaler Bewegungen 196 II. Umfang der Aufmerksamkeit 198-205 1. Aufmerksamkeitsumfang bei räumlichen Vorstellungen 198 2. Aufmerksamkeitsumfang bei zeitlichen Vorstellungen 204 III. Umfang des Bewußtseins 205-207 1. Bewußtseinsumfang bei räumlichen Vorstellungen 205 2. Bewußtseinsumfang bei zeitlichen Vorstellungen 207 G. Assimilationen 208-223 I. Assimilation durch einzelne Vorstellungen und Vorstellungsgruppen 208 - 220 1. Wesen und Bedeutung der Assimilation 208 2. Tachistoskopische Leseversuche 212 3. Quantitative Bestimmung der Assimilationskraft 214 4. Assimilationswirkungen in verschiedenen Unterrichtsfächern 217 II. Assimilation durch die formalen Verhältnisse der Vorstellungen 220-223 1. Individuelle Unterschiede beim Einordnen in das Raumbild 220 2. Anomalien der Auffassung 222 H. Gedächtnis 224-252 I. Grundsätzliches zur Methodik der Gedächtnisversuche 224-229 1. Einteilung der Methoden der Gedächtnisuntersuchung 224 2. Material der Gedächtnisprüfungen 225 3. Variierbare Bedingungen bei Gedächtnisprüfungen 226 a) Das Lernen 226 b) Die Zwischenzeit zwischen Lernen und Reproduktion 229 c) Die Reproduktion 229 II. Gedächtnisapparate 229 - 233 1. Apparate zu psychologischen Untersuchungen 229 2. Gedächtnisapparat zu pädagogischen Untersuchungen 232 III. Wiedererkennungsmethoden 233-238 1. Einfache Verknüpfung 233 a) Prüfung durch kontinuierlich veränderliche Reize 233 b) Prüfung durch nicht kontinuierlich zu verändernde Reize 234 2. Reihenverknüpfung. 236 a) Wiedererkennungsmethode 236 b) Methode der identischen Reihen 237 IV. Reproduktionsmethoden 238-252 1. Treffermethode 242 2. Methode der Gedächtnisspanne 244 3. Methode der behaltenen Glieder 245 4. Hilfenmethode 247 5. Erlernungsmethode 248 6. Ersparnismethode 248 7. Rekonstruktionsmethode 249 J. Apperzeptionsverbindungen 253-272 I. Grundsätzliches über die experimentelle Untersuchung der Apperzeptionsverbindungen 253 II. Tachistoskopische Versuche 254-255 III. Statistik des Vorstellungsverlaufs 255-260 1. Freie Reproduktion 255 a) Normaler und anormaler Vorstellungsverlauf 255 b) Versuchsmethode 258 2. Gebundene Reproduktion 260 IV. Statistik der Reproduktionszeiten 260-263 V. Methodik der Zeitmessung bei Reproduktionsversuchen 263-272 1. Graphische Methode 263 2. Registrierende Methode 272 K. Die Sprache 273-287 I. Analyse der Sprachlaute 273-276 II. Analyse der Sprechmelodie 276-279 III. Statistik der Wortformen und Wortverbindungen 279 - 283 IV. Die Sprache als Ausdrucksmittel 283 287 L. Körperliche Arbeit 288-315 I. Der Ergograph 288-298 1. Gewichtsergographen 288 2. Federergographen 294 II. Das Maß der Arbeitsleistung 299-305 1. Ergographenkurven 299 2. Die Maximalleistung 302 III. Rhythmus und Arbeit 305-315 IV. Symmetrie der Bewegung 315 M. Geistige Arbeit 316-329 I. Untersuchungsmethoden 316-319 1. Indirekte Methoden 316 2. Direkte Methoden 317 II. Deutung der Arbeitskurve 319-329 1. Geistige Leistungsfähigkeit 319 2. Ideelle Übungs- und Ermüdungskurve 320 3. Wirkliche Übungs- und Ermüdungskurve 322 4. Weitere Komponenten der Arbeitskurve 324 5. Über Ermüdungsstoffe 326 N. Psychische Korrelationen 330-344 I. Korrelationsrechnung 331-339 1. Die Verteilungstafel 331 2. Die Korrelationsformel 334 3. Korrelation und Koordination 336 4. Die Bedeutung des Korrelationskoeffizienten 338 II. Korrelationsrechnung in der Psychologie 339-343 1. Ergebnisse von Krueger und Spearman 339 2. Ergebnisse von Öhren 341 III. Korrelationsrechnung in der Pädagogik 343-344