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Wissensgesellschaft

Ein Interview zu Jahresbeginn 2003.

Das Gespräch führte Hans Olzmann.


Hans Olzmann: Über 90% des Internets sind Müll – so sagt man. Was macht nun ausgerechnet eine Wissensgesellschaft aus?

Es gibt viel Redundanz, reichlich fehlendes Niveau bzw. fehlende Strukturierungen. Wissen stellt eine Kategorie dar, in der Sachverhalte in ihren Zusammenhängen erkannt und verstanden werden. Somit geht es vorwiegend um komplexe Kausalitäten, insbesondere in arbeitsteiligen Prozessen.

Die grundlegend neue Qualität entsteht, indem Wissen kontinuierlich einfließen, angereichert, verarbeitet und genutzt werden kann. Es muss ständig gelernt und Information verarbeitet werden.

Das klingt einleuchtend. Aber was ist Besonderes daran?

Gegenwärtig sind viele wirtschaftliche, staatliche und auch kulturelle Strukturen nicht danach ausgerichtet. Was man als offene Quellen bzw. offene Systeme bezeichnet (open source) ist im Internet schon weltweit verbreitet, aber nicht im lokalen Verwaltungshandeln.

Ist deshalb das Lipsikon entstanden?

In gewisser Weise ja. Wissen kann nur entstehen, wenn die dazu gehörenden Informationen und Bereiche integrativ determiniert werden können. Der Informationsfluss muss so angelegt werden, dass unterschiedlichste Wissensträger – gleich in welcher Position oder Organisation – jederzeit zu diesem Wissen beitragen können.

Wenn Entscheidungsgrundlagen fehlen, ist das Ergebnis kaum optimal. Davon können z.B. Abgeordnete ein Lied singen.

Lipsikon dient quasi als eine Art Lexikon?

Zu den determinierbaren Wissensbeständen gehören z.B. Chroniken, Biographien, Bau- und Kulturgeschichte, geographische u.a. Daten. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Internetseiten, wo Sie im Internet dutzendfach etwas über Leipzig finden können, geht es hier um den Aufbau eines substantiellen lexikalischen Bestandes inklusive sorgfältiger Quellenprüfung.

Aber die Aufnahme digitalisierter Geschichtsquellen ist ja nur ein Anfang. In zehn Jahren kann man technisch ein kompliziertes Stadtmodell über seinen Rechner frei und in Echtzeit dreidimensional durchstreifen – inklusive integrierter aktueller Daten von Webcams, Verkehrsflüssen, Wetterbedingungen und weiteren Anforderungen nach Bedarf. Das ist die Perspektive.

D.h. über lokal gebundene Informationen lassen sich auch Funktionen optimieren und Strukturen verbessern. Dies muss für den Menschen quantitativ fassbar und qualitativ verständlich werden.

Haben Sie dafür ein aktuelles Beispiel?

Ja. Was Sie auf dieser CD-ROM zum Musikviertel sehen, könnte ebenso und sofort zur Wiederbebauung des Universitätsareals am Augustusplatz bereitgestellt werden. Selbst 3D-Modelle existieren bereits.

Auf einem der geschichtsträchtigsten Kerngebiete Leipzigs blieben nicht nur Paulinerkirche und Augusteum, sondern auch Johanneum, Fürstenhaus, Goldener Bär, Mauricianum und die Erste Bürgerschule vollkommen unberücksichtigt.

Hat das u.a. die Stadtplanung wieder einmal verschlafen?

Vermutlich – und das mit verhängnisvollen Konsequenzen. Denn nun wundern sich die Preisrichter, warum ihnen in der Öffentlichkeit Kulturbarbarei vorgeworfen wird. Fest steht, dass Leipzig als Wissenschaftsstadt international abgeschrieben wird, wenn man sich seiner Geschichte nicht würdig erweist.

Jedenfalls können eben solche Situationen mit dem Lipsikon generell ausgeklammert werden. Wissen kann nicht auf wenige Ämter wie Stadtplanungsamt oder Staatshochbauamt angewiesen sein und ob die zuständigen Leiter richtig reagieren oder nicht. Der Sachstand ist für die Allgemeinheit bereitzustellen. Es kann sogar jeder kommende Wettbewerb mit dem bestmöglichen Material abgedeckt werden, ohne dass zusätzlicher Aufwand entsteht.

Auf dieser CD sind allein über hundert Bilder vom Neuen Gewandhaus von 1884 zu sehen. Müssen diese alle ins Lipsikon?

Das ist nicht die Frage. Das Entscheidungskriterium ist folglich ein anderes: Die Bildinformation und damit die bestmögliche Qualität, die ja nach Entwicklungsstand der Internetverbindungen problemlos nachgebessert werden kann.

Gefragt sind immer die besten Aufnahmen, die sukzessiv ausgewechselt oder in einen Archivbestand gehen können. Man kann sich auch mehrstufige Verfahren ausdenken.

Aber mit dem Gewandhaus wird vielleicht vieles sichtbar, nicht nur hinsichtlich des Abrisses des Mendelssohn-Denkmals durch die Nazis oder die Umbauungsfolge und die Bepflanzungen in über einem Jahrhundert. Es ist z.B. auch die Vielfalt der künstlerischen Gestaltung, der Betrachterstandorte und der Ideen von Interesse. Damals gab es eine ganze Reihe neuer attraktiver (!) Gebäude und Sehenswürdigkeiten in Leipzig. Allein die gezeigte Dichte verrät, welche Identifikationseffekte die Bürger damit nicht nur in Leipzig verbanden und wie kraftvoll sich daraus Kommerz entwickeln konnte. Dies gibt sehr zu denken in Vergleich zu den heutigen Klötzen wie Kaufhof, Bildermuseum und Thomasgasse.

Aber Leipzig hat immer neu gebaut.

Ja. Der Unterschied ist nur, dass man die vorhergehenden Qualitäten aufnahm und meistens besser gebaut hat. An dieser Substanz fehlt es hier. Und in Analogie zu Felix Mendelssohn Bartholdy muss man deutlich anklingen lassen, dass er es war, der neben den zeitgenössischen Konzerten auch die Aufführung der damals schon vergessenen Werke von Johann Sebastian Bach betrieb! Warum soll dies nur für die Musik gelten? Oder darf man sich nur Zeitgenössisches anhören, ansehen bzw. bauen? Wenn die Menschen ein geschichtsbewusstes, schönes und ansprechendes ästhetisches Aussehen wünschen – warum soll man ihnen das Fürstenhaus, die Bürgerschule, das Paulinum, die Paulinerkirche und das Augusteum vorenthalten?? Wohlgemerkt geht es nicht um Nostalgie, sondern um das Aufgreifen – in diesem Falle – unverwechselbarer architektonischer Werte und Leistungen im analogen Sinne von Felix Mendelssohn Bartholdy, die im Stile unserer Zeit auch innen bestimmt anders gestaltet werden.

Ja, da kommt dann immer die Frage der Zeit bis 2009 und des Geldes.

Das ist keine Frage, sondern Verdrängung. Zum dreihundertjährigen Jubiläum der Universität wurde auch von 1710-1712 gebaut. Außerdem existieren wie gesagt 3D-Modelle, die die Planung verdeutlichen und sogar die Zeitabläufe minimieren können.

Kommen wir an dieser Stelle beim Lipsikon doch einmal ins Detail. Was kostet dies alles?

Zuerst muss ganz einfach festgestellt werden, dass bereits immense staatliche Gelder – seien es GA- , ABM- oder andere Mittel – in dieser Richtung ausgegeben wurden für die Digitalisierungen von Stadtkarten, Archivbestände, Publikationen, Internetseiten etc. Allein im Stadtgeschichtlichen Museum umfasst die Digitalisierung bereits eine sechsstellige Anzahl von Dokumenten. In vielen Fällen wird es folglich darum gehen, bereits geleistete Arbeiten in eine aufwärtskompatible und für die Allgemeinheit nutzbare Form zu bringen. Dies ist die eigentliche Systemarbeit.

Daneben müssen künftig mit weiteren Digitalisierungen insbesondere Serviceleistungen zur Qualitätssicherung finanziert werden. Die Bereitschaft, umfangreiche Datenbestände einfließen zu lassen, liegen von unterschiedlichsten Seiten vor. Das heißt, die Einordnung und Pflege digitalisierter Bestände ist äußerst wichtig. Mit dem Internet erleichtert sich dieser Prozess wesentlich, weil die Leipzig- bzw. Fachexperten von ihrem heimischen Rechner aus mit einer entsprechenden Zugangsberechtigung Bestände wie Ansichten oder Abbildungen von Objekten einordnen können. Man kann sich vorstellen, dass bei zigtausend Bildern, die jemand nach kurzer Einarbeitungszeit über ABM scannt, alles sehr sorgsam eingeordnet und geprüft werden muss. Und je nach Themenstellung gibt es nur wenige Experten, die gefragt werden können. Über diese Technologien lässt sich dies verteilt und gut abklären.

Haben Sie damit bereits Erfahrung?

Die Fechner-Gesellschaft e.V. hat 1998 u.a. begonnen, Werke des Leipziger Wissenschaftlers systematisch zu scannen. So sind seine Hauptwerke, aber auch nie wieder gedruckte Originalarbeiten in die Gutenberg-Bibliothek (die größte und frei nutzbare deutschsprachige Internetbibliothek) eingegangen. Hier musste alles sorgsamst übertragen und korrigiert werden.

Wenn die Werke dann online sind – ich meine nur, das beträfe dann ja auch Lipsikon – , werden dann Bücher überhaupt noch gekauft?

Zuerst muss man sagen, dass z.B. Fechner über das Internet erst einmal zusätzlich weltweite Bekanntheit erfährt. Schließlich wurden seine Werke größtenteils nur in kleinen Auflagen gedruckt, und manche (wie Zeitungsartikel von 1848) sind kaum zugänglich. Und wer sich für Goethe, Nietzsche, Homer oder Lessing interessiert, wird auch weiterhin auf Papier zurückgreifen.

Die Online-Form ist folglich eine wichtige ergänzende Wissensquelle, zumal mit weltweitem Zugriff nun international die unterschiedlichsten Anfragen bezüglich Fechner den kleinen Verein erreichen. Dabei sind Fechners Werke noch nicht einmal in die englische Sprache übersetzt.

Bei mit auf Bildbestände ausgerichteten Projekten wie Lipsikon werden mit zunehmender Dichte der Datenbestände die Möglichkeiten größer. Nicht nur, dass der Interessent erstmals Bilder in Augenschein nimmt, die er nicht kennt, er kann sie z.B. auch als Plakat oder Grafik online bestellen. Bisher unbekannte oder auf anderen Wegen nicht zugängliche Quellen können dann z.B. den Ausschlag geben, den Zeitpunkt für eine Publikation zu wählen. Fest steht, dass allein die bereits vorhandenen Bildbestände jede Publikationsform wie die Denkmalstopologie zum Leipziger Süden bei weitem übersteigen.

In den folgenden Jahren werden ja auch die Querverweise (historische Karten und Ansichten, Lebensbeschreibungen, Werkverzeichnisse, Biographien, Museumsinventare) im Datenabgleich die Qualität des Geschichtswissens erweitern: Wie erlebte Johann Sebastian Bach Leipzig? Wann war Felix Mendelssohn Bartholdy tatsächlich in Leipzig? D.h. die Lebenswege werden sich mit verschiedenen Medien verständlicher nachzeichnen lassen als es je möglich war.

Noch einmal kurz zu den vielfach umstrittenen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Meinen Sie, dass ABM hier sinnvoll ist?

Der Internetbereich ist vollkommen unterentwickelt. Hier schlummern noch viele Potenziale. Aber stellen Sie sich vor, dass eine Anzahl ABM direkt hierauf ausgerichtet wird. Wenn die Digitalisierungen wie z.B. im Stadtgeschichtlichen Museum ins Internet kommen, kann der Geförderte jedem zeigen, was er geleistet hat, der Bearbeiter im Arbeitsamt ist in der Lage, mit den Ergebnissen eine direkte Erfolgskontrolle zu betreiben, und die zusätzlichen und den Markt nicht störenden Resultate stehen der Allgemeinheit zur Verfügung.

Wenn Sie sich nun noch überlegen, dass man auf diesen Gebieten der Web-Technologien individuell angepasste Weiterbildungen damit verbindet, dann können Computerfirmen schon selbst festmachen, wo jemand für sie "herausguckt".

Da es sich um staatliche Förderungen handelt, wird es ja bestimmt hier kein Problem geben, die diesbezügliche Maßnahmen per Internet auszuweisen, inklusive Thema und Ergebnis.

Ab welcher Informationsdichte schätzen Sie denn, dass das Lipsikon seinen "kritischen Punkt" erreicht hat?

Das kommt auf die Qualität der Dokumente an und auf die Strukturen, die man entwickelt. Aber ich gehe davon aus, dass sich bereits im sechsstelligen Bereich die Vorteile, Effizienzsteigerungen und Anwendungsgebiete zeigen.

Welche Strukturen sind dafür notwendig?

Das ist ein ganz wichtiger und offener Bereich. Wahrscheinlich werden hier analog der Effizienz des Internets Arbeits- bzw. Themengruppen zu bilden sein. Schließlich müssen die Strukturen dafür sorgen, Wissen im wahrsten Sinne des Wortes zu organisieren. Die Staffelung wird vorwiegend dahin gehen, dass die Systemdienste die Strukturvoraussetzungen schaffen für die Datendienste und gleichzeitig die anforderungsspezifischen Funktionen absichern. Das heißt für das Betreibermodell, während Entwicklungsarbeiten bei professionellen Firmen liegen, ist parallel die Einarbeitung von Daten zu gewährleisten, die Ämter, Vereine oder Experten nur ab und an oder nur so lange pflegen, bis bestimmte Themen oder Bestände vollständig eingearbeitet sind. Als Dienstleistung ist auch eine eigene kommerzielle Verwertung vorzusehen. Zweifellos wird die städtische Kanalisation u.ä. nicht öffentlich zugänglich zu sein brauchen, aber wenn ein Bürger in Schleußig im Gefahrenfalle "Land unter" meldet (die Überschwemmungsbilder und Beschreibungen aus mehreren Jahrzehnten sind vorhanden), wird das System sofort abklären, wo die Ursachen liegen, welche weiteren Gefahrenquellen lauern, wer davon betroffen sein kann und was schleunigst vor Ort eingeleitet werden muss.

Hier gibt es also viele weitere übergreifende Anwendungen?

Ja, und eine Menge zukunftsfähige Entwicklungspotentiale. Das betrifft Verkehrsflüsse, Logistik und die wirtschaftlichen Infrastrukturen selbst. Wenn Sie die Stadtteile mit ihrer Gewerbestruktur auf Ihrem Rechner haben, können Sie auch sehen, wo die Stadt funktioniert und wo nicht. D.h. Ihre vielschichtigen Erfahrungswerte, die Sie beim Gang durch Leipziger Straßen mit eigenen Augen erleben, können mit diesem technologischen Niveau auch neue Lösungen bringen.

Wenn dann die lokal gebundenen Stadtratsvorlagen in visueller Form adäquat bereitstehen, müssen sich die Abgeordneten nicht mehr durch so viel Papier wühlen und ihre Zeitfonds werden ergiebiger, weil jeder sofort sieht, welche Ecke gemeint ist und wo die Tücken im Detail liegen. Wenn dann die Fraktionen eigene digitalisierte Beiträge einbringen, dann reduzieren sich beschönigende Worte drastisch. Und auch die Nachkontrolle wird sich in vielen Fällen positiv auswirken, wenn auf diese Art dokumentiert wird, wo und wie Gelder ausgegeben worden sind.

Warum hat sich dann die Stadtverwaltung Lipsikon noch nicht zu eigen gemacht?

Bei einzelnen Fachämtern wie Denkmalpflege und Grünflächenamt gibt es keinerlei Probleme. Auch der Tourismus kann davon profitieren. Aber sobald es in den Leitungseben des Rathauses nach oben geht, schwindet die Transparenz, und wenn es dann um übergreifende Koordinierung geht, wird es dann noch stiller.

Können Sie das an einem Beispiel erklären?

Der Ansatz für Lipsikon wurde schon 1998 als Digitale Region ("Digitalregio") für den Wettbewerb MEDIA@Komm entwickelt. Das Konzept dazu wurde dem damaligen Projektleiter übergeben. Der hatte keine Zeit, und die vorgesetzten Beigeordneten verwiesen mich wieder auf den Projektleiter.

Und das Ergebnis?

Den Wettbewerb und damit 10 Millionen Euro gewannen bekanntlich andere Städte. Ein sachbezogener Austausch fand nicht statt.

Naja, nun ist in Leipzig ja schon vieles "vor den Baum" gefahren worden. Aber es gab ja immerhin schon im Jahre 2000 einen Termin, wo im Rathaus der Ansatz von Lipsikon vorgestellt werden konnte.

Das ist richtig. Neue Technologien müssen sich erst durchsetzen. Aber wenn die Informationen nicht ausreichend an die Leitungsebene herankommen, passiert nichts.

Aber dabei hat doch gerade die Stadtplanung schon seit Jahren einen City-Cube lauthals favorisiert, der nun als virtuelles Stadtmodell kommt, mit dem jeder "kinderleicht durch Leipzig fliegen kann". Ist das nicht was ganz Tolles?

Weltweit werden diese Computersprachen über das Web3D-Consortium entwickelt, damit auch dreidimensionale Welten über Internet frei zugänglich werden. Diese werden hier genutzt. Es handelt sich also nicht um neue Software, die "bald gekauft" werden kann, sondern nur um Programme, die damit zur Disposition stehen. Wenn diese nicht internetfähig sind, sind sie schlecht programmiert. Im Leipziger Stadtplanungsamt verkehrt man diese Technologien praktisch ins Gegenteil und reglementiert sie auf Präsentation und "spektakuläre Neubauten".

In größeren Rathäusern gibt es doch meistens Hofschranzen bzw. Schönredner, Kratzbuckel und Jubler, die sich damit unverzichtbar machen.

Dies mag schon sein, aber zu einer Wissensgesellschaft gehören eben offene Quellen, damit sie ständig und frei verbessert werden können. Und es gibt bestimmt eine Menge Leute selbst in Leipzig, die dies besser können als die, die sich hinter verschlossenen Türen der Öffentlichkeit entziehen wollen.

Zum anderen wird damit vermieden, dass Schönfärberei mit Scheinwelten als Fertigprodukt zelebriert wird. Diese Technologien sind mittlerweile u.a. in der Architektur ein ganz normales Arbeitsmittel. Gerade deshalb geht ja Lipsikon den Weg, dass über die Datenanreicherung bei Bedarf 3D-Teile und ausreichend vorhandener Information integriert und bereitgestellt werden können. Wenn der Beigeordnete meint, auch noch "Musik und Sprachinformationen einzuarbeiten", dann fragt man sich schon einiges.

Sie halten von derartigem Firlefanz wohl nicht viel? Die Stadt scheint doch mehr als genug Geld zu haben.

Das war nur ein Beispiel, dass in einer Wissensgesellschaft Transparenz nötig ist, um Mehrfacharbeit zu vermeiden und Geld zu sparen. Die aufgezeigten Perspektiven zeigen gleichzeitig, dass, je besser man diese Technologien meistert, auch alle etwas davon haben. Für den interessierten Bürger werden die Beteiligungsmöglichkeiten größer, und er kann sich besser informieren. Letzteres trifft auch für Touristen zu, die Leipzig besuchen wollen, für Architekten, für Legislative und Exekutive selbst u.v.a.

Vielleicht scheint Lipsikon manchem als neuer Zentralismus zu erscheinen?

Ganz im Gegenteil. Die Originalbestände verbleiben dezentral, und einlaufende Gebühren für kommerzielle Nutzungen (die umgehend abgearbeitet werden) wie Publikationen kommen der jeweiligen Stelle zu gute. Wissen kann nicht auf ein Amt beschränkt sein. Es muss überall und ständig genutzt werden können, um zu lernen und nicht immer wieder die gleichen Fehler zu machen. Das Denken des Menschen beschränkt sich ja auch nicht auf einen einzelnen Ort, sondern es sind immer eine ganze Reihe von Feldern aktiv, um ein Problem zu lösen.

Naja, vielleicht fürchten doch einige in der Verwaltung eher, dass man ihnen genauer auf die Finger schauen kann und Einsparpotenzial besteht.

Der Witz ist eigentlich, dass neue Arbeitsfelder damit entstehen...


Aber kann man dann sagen, dass mit dem Lipsikon das Gedächtnis von Stadt und Region gebaut wird?

Nun, der Begriff "Gedächtnis" ist eher ein psychologischer. Bezogen auf den Menschen werden technische Systeme nicht so einfach menschliche Qualitäten annehmen können. Aber hier geht es darum, Wissen so einzufädeln, dass es systematisch und zunehmend integrativ und aufwärtskompatibel genutzt werden kann.

Dieser Umstand ist neu und sollte unbedingt genutzt werden.

Sie haben das Jahr 1998 genannt. Jetzt haben wir das Jahr 2003, und es ist – wie man sieht – reichlich Know-how vorhanden. Was wird, wenn sich die obere Leitungsebene der Stadtverwaltung nicht endlich "ausmehrt" – wie der Sachse sagen würde?

Natürlich würde damit immense Entwicklungsarbeit, die eigentlich für Leipzig erst geleistet wurde, abgeschrieben werden müssen.

Aber es wurden bereits andere Bestände digitalisiert. In diesem Fall bekommt das Ganze einen anderen Namen und wird nicht weiter in Sachsen realisiert.


Dazu wünsche ich Ihnen so oder so viel Erfolg für 2003.