Ergebnisnachweis - Transparenz - Effizienz - Kostenersparnis
Das Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung "IT-Forschung 2006" ist als anpassungsfähiges, offenes und lernendes Programm ausgewiesen. Bei dessen Umsetzung wird auf die größte volkswirtschaftliche Wirkung Wert gelegt. Hieraus leiten sich Forderungen ab, die dieser Maßgabe entsprechen.
Das Programm trägt die Handschrift bereits geförderter Einrichtungen und Gutachter, die hierfür 1,5 Mrd. Euro Bundesmittel ansetzen. Dies mag aus deren Sicht verständlich sein, gehört jedoch auf den Prüfstand.
Forschung und Entwicklung sind als Kreislaufprozesse zu fassen, d.h. in der Erschließung der Technologien, ihrem Ausbau, ihrer Sicherung und Archivierung, den Gründen ihrer Determination, in Aufwand und Nutzen, Folgen und Nachhaltigkeit.
1. Wissen ins Internet
Mit den Entwicklungen des Internets ist dieses Wissen rückwirkend aufzubereiten. Die öffentlich geförderten Träger sollten ihre geleisteten Arbeiten systematisch im Internet zugänglich machen und archivieren, d.h. nicht nur in Form von Jahres- oder Forschungsberichten. Daß es hierbei ggf. Zugangsberechtigungen oder Ausnahmen gibt, bleibt unbenommen.
Diese Know-how-Sicherung gilt für jedes Institut und seine Geschichte. Feststellungen (siehe 4.2. Softwaresysteme), daß der Antragsteller noch wissen soll, wer nach Abschluß des Projektes das Know-how vorrätig haben soll, sind nicht mehr zeitgemäß.
Die Technologien der Wissensgesellschaft bedingen förmlich diese Bereitstellung. Der inhaltliche Nachweis der Verwendung öffentlicher Gelder kann insbesondere bei Entwicklungsarbeiten auf diese Weise erfolgen, um Stadien im nicht- bzw. vorkommerziellen Bereich zu fixieren.
Hier hat das Bundesministerium für Forschung und Bildung auch eine Vorbildfunktion für andere Ministerien, wo ebenfalls in großem Umfang Fördermittel bereitgestellt werden.
Das geht bis zu den Arbeitsämtern, wo für Projekte in beträchtlichen Größenordnungen z.B. Daten digitalisiert werden (Archive, Museumsbestände, Pläne, Geo-Daten, Fotografien, Denkmale etc.), die zunehmend integrativ genutzt werden können. In vielen Fällen wie z.B. ABM wäre es bereits heute möglich, Arbeitsergebnisse über Internet abzurufen und zu prüfen. Dies schließt sogar Fragen der Vermittelbarkeit ein durch die erbrachten Leistungen der jeweiligen Bearbeiter bzw. Autoren.
2. Entwicklergruppen und Technologieorganisation
Die umfassende Wissensbereitstellung ist von genereller Bedeutung. Aus der Sicht von Web3D-Technologien, Programmiersprachen und Betriebssystemen bindet nur eine offene Herangehensweise das notwendige Entwicklerpotential, die Verbreitung, Beschleunigung und letztendlich eine kommerzielle Anwendung der Technologieentwicklung.
Während es bei eng umgrenzten Technologien um konkrete und kurzfristige Problemlösungen geht, handelt es sich bei den standardvorbereitenden Arbeiten wie zu X3D, XML oder Linux um längerfristig tragende Richtungen, die ggf. eines ständigen Quellreservoirs bedürfen.
Gerade hierbei ist es wichtig, diese gemäß ihrem jeweiligen Stand allgemein verfügbar zu halten, damit verschiedene Wissenschaftsbereiche ihre Methodenrepertoires für eigene Forschung abgleichen und übernehmen können.
Diese Lernprozesse sind wie bei komplexen Web3D-Technologien von besonderer Bedeutung, weil der Spezialisierungsgrad sonst jeden Einzelwissenschaftler vor schier unlösbare Aufgaben stellt.
Quintessenz dieses Punktes ist die Prioritätenänderung zugunsten der dezentralen Förderung konkreter wissenschafts- und technologieorganisatorischer Projekte in flachen Strukturen, Entwickler- bzw. Organisationsgruppen. Dies kann von der Organisation einer thematisch determinierten Problemlösegruppe bis zur Einleitung neuer Softwaresysteme gehen.
3. Muttersprachliche Integration
Insbesondere im Zuge neuer Hardware und Visualisierungstechnologien entsteht ein großer Bedarf an neuen Begriffen und Begriffssystemen. Gegenwärtig kommt ein großer Teil neuer Begriffe aus dem englischsprachigen Bereich. Unabhängig davon, ob eine Übersetzung erforderlich ist oder eine Übernahme versucht wird - der gesamte Bereich der Technologiensprache ist unterentwickelt.
Dieses hat gegenwärtig zur Folge, daß im Bereich kommerzieller Software deutsche Versionen zum Teil, wenn überhaupt, erst nach Jahren erscheinen oder nur selten strengere Qualitätskriterien der deutschen Sprache erfüllen.
Die Folge ist wiederum eine verständlicherweise fehlende Akzeptanz bzw. Basis bei vielen Anwendern. Damit treten weitere Folgedefizite auf.
Anzumahnen ist hier eine integrative und vorgreifende Technologielinguistik, die in Assoziation mit Entwicklern die Problematiken aufgreift. Die Beherrschung von Multimedia-Technologien, Online-Lernen etc. wird sonst nur halbherzig gelingen.
4. Technologiedidaktik
Die bisherigen drei Punkte bilden die Voraussetzung, daß Schüler und Jungendliche gemäß ihren Interessen, Fähigkeiten und Neigungen barrierefrei in die neuen Technologien "hineinwachsen" können.
Plausibilität und Nachvollziehbarkeit sind Kriterien, die für das Förderprogramm Informations- und Kommunikationstechnik "IT-Forschung 2006" (zumindest in großen Teilen der Punkten 4.2. - 4.4.) generell gelten sollten.
Gegenwärtig stimmen diese Schnittstellen selten. Gerade wenn es darum geht, aus einer anfänglichen Begeisterung für ein Thema eine intensive Freizeitbeschäftigung oder gar einen Berufswunsch werden zu lassen, fehlen professionelle Betreuungen bzw. kommunikativen Bindungen, wie es sie bei anderen Freizeitbeschäftigungen in der Musik- oder Sporterziehung gibt.
5. "Ostdeutschland"
Da auf die größte volkswirtschaftliche Wirkung Wert gelegt wird, ist in Verbindung mit dem Programm wieder einmal besonders von Ostdeutschland die Rede. Nach 1989 wurden entsprechende Potentiale (zumindest in hiesigen Region) "abgewickelt" und keine adäquaten außeruniversitären Neugründungen etabliert bzw. gefördert. Die Mitarbeiterzahlen der öffentlich geförderten IT-Forschungslandschaft Deutschland belegen dies zweifelsfrei. Institutionelle Förderung würde bedeuten, daß dieses Ungleichgewicht weiter verstärkt wird.
Die Quintessenz der Aussagen des Staatssekretärs vom BMBF, Herrn Dr. Uwe Thomas, daß er seinen Erfolg im Jahre 2010 an den Marktanteilen messen will, besagt respektive, daß das BMBF bisher in Ostdeutschland seine Ziele verfehlte und die volkswirtschaftliche Schieflage vergrößert wurde.
Die Ursache liegt u.a. darin, daß entgegen einer Föderalisierung alle Projektträger in Westdeutschland und Berlin angesiedelt sind, aber nicht z.B. in Sachsen.
Zu fordern ist die Gründung von neuartigen Projektträgern in Ostdeutschland, insbesondere im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union.
6. Wandel der Projektträgerstrukturen
Mit der zunehmenden Verlagerung von Information bzw. Wissen ins Internet erhöht sich die Effizienz, da Entwicklungen durch Wissenszulauf beschleunigt sowie Doppel- und Fehlentwicklungen vermieden werden können.
In diesem Sinne bringt die geforderte Transparenz weitere Vorteile. Die Prüfbarkeit (bis hin zu den Rechnungshöfen und dem Bund für Steuerzahler) entlastet zunehmend das BMBF, weil man von der herkömmlichen Verteilung von Finanzmitteln über Projektanträge, Gutachter und weitere Kontrollmechanismen zu einer Versachlichung innerhalb der Fachbereiche kommen kann.
Von der praktischen Seite her vollziehen sich Softwareneuerungen zunehmend über das Internet selbst. So ist es egal, ob nun der Partner in Australien, Nishni Nowgorod, Chicago oder Oberbayern am Computer sitzt. Entscheidend ist die Gewährleistung der Kontinuität der Arbeit. Um die Entwicklungen zu verstärken, wäre es gerade wichtig, diese neuen Formen zu unterstützen. D.h. (Punkt 4.2.1.) hier wären Organisation und Finanzierungen abzusichern, wo "kleine" Projektziele anvisiert werden und selbstorganisierte Entwicklergruppen die Gelder untereinander teilen bzw. nur der bezahlt wird, der daran gerade mitarbeitet.
Auf diese Weise sind einige hundert Projekte bzw. tausend Teilthemen mit kleineren Budgets wesentlich konstruktiver als herkömmliche Projektförderungen ("möglichst nicht unter zwei Mannjahren"), weil damit zahlreiche Communities angesprochen und Begabungen und Talente unterstützt werden können, die bisher unentdeckt bleiben bzw. damit an vielen Punkten gezielte Leistungen erbringen können, die die übliche Freizeit- bzw. Detailarbeit übersteigen.
Der Normalfall ist nicht die klischeehafte Existenzgründung mit einer viel beschworenen Idee, die häufig nach großen Ambitionen die Praxis auf eine normale Multimedia-Firma zurückstutzt, sondern eine unermeßliche Vielzahl von Problemlösungen, die tagtäglich Entwicklungen in oft verblüffenden Formen hervorbringen, was zum Ausdruck kommt in Phänomenen wie "freier Software" und "offenen Standards" (z.B. XML).
Wenn in Deutschland eine "neue Aufbruchstimmung" geschaffen werden soll, dann muß dieser Aufbruch neue, zeitgemäße Strukturen erzeugen, konstruktive Impulse geben und eine entsprechende Stimmungslage bei allen verfügbaren Potentialen schaffen.
Die öffentliche IT-Forschungslandschaft Deutschlands ist insbesondere eine Vielzahl von Internet-Communities bzw. Entwicklergruppen und nicht nur die genannten staatlich geförderten Einrichtungen. Diesen muß sich das Programm "IT-2006" stellen.
Wieland Zumpe
Leipzig, den 5. März 2002 / Ergänzungsstand 31.03. 2002
Mitglied der Gesellschaft zur Förderung der Entbürokratisierung e.V.
Professional Member of Web3D Consortium http://www.web3d.org
Mitglied des Web3De e.V. http://www.web3de.org
http://www.uni-leipzig.de/~future/
http://www.uni-leipzig.de/~web3d/
http://www.uni-leipzig.de/~fechner/ für die Gustav-Theodor-Fechner-Gesellschaft e.V.
Zu einzelnen Themenfeldern gibt es detailliertere Ausarbeitungen, die dem BMBF vorliegen.
PS: Dieses Schreiben ist im Internet nachlesbar auf http://www.web3de.org/it2006.htm Unter dieser Adresse werden die aktuellen Ergänzungen und Korrekturen dieses Dokumentes vorgenommen.
Einige Erläuterungen und Argumentationen sind in Vorbereitung und werden demnächst bereitgestellt:
Internationale Entwicklungen